Steig 2/3

"Eine Abend vor vier Fenstern"

Auffuehrungen waren am 21./24./28./30. November und 5. - 8. und 12. -15. Dezember 1991
auf dem Bahnsteig 2/3 des Bahnhofes in Münster

das verhaeltnis eines kuenstlichen raumes, naemlich der buehne
zu einem funktionalen, authentischen raum, einer alltagsarchitektur, dem bahnhof, reizte mich diese performance
in enger zusammenarbeit mit Anne Levin zu entwickeln.

vom buehnenraum des wolfgang-borchert-theaters aus, durch vier kleine lueftungsfenster, sah der zuschauer auf die gleise und den bahnsteig;
(ein abfahrender zug gab um 23.10 den blick frei.)
auf dem sich inmitten des betriebes eines bahnhofs zu spaeter stunde eine performance abspielte.

Kennen Sie das,
Sie kommen in eine Stadt, stehen inmitten beschilderter Strassen,
die samt und sonders die Namen tragen, die Sie schon in Hamburg, Paris, Düsseldorf, Zuerich, Berlin, Muenchen und Olpe bewundert haben.
Und obwohl Sie gerade diese Stadt besser kennen, als all die anderen, so koennen Sie sich doch keinen Reim mehr darauf machen, in welcher Beziehung die Koelner- zur Friedrich-Ebert-Str. (oder war es ein Platz?) steht,
und vor allem, warum.

Nirgends fuehlt man sich verlorener,
als in einer Stadt, in der man schon alles kennt,
aber leider nichts erkennt.
Sicher, Sie koennen diese Tatsache ignorieren, sich einen schoenen Abend machen, Sie koennen laechelnd durch die Strasse gehen, eine gewisse Zuversicht ausstrahlen, die Andere unweigerlich dazu ermutigen wird, Sie nach dem rechten Weg zu fragen.
Aber was, wenn Sie nun ploetzlich erkennen muessen, dass dieser Brunnen, ja , dieser dort, eben in jener bekannten Stadt (wie hiess sie doch?) steht und stehen kann, und Sie aus diesem Grund unvermutet in einen Abgrund stuerzen, um dort der Tatsache ins Auge zu sehen:
Sie sind in W., es laesst sich nicht verleugnen.
Traeume von Paris, Berlin oder Zuerich werden zunichte.
Sofort werden Sie begreifen, das alles umsonst, vergebens, ja vergebliche Liebesmueh war, und Sie werden freudig meinen Rat befolgen:
Bleiben Sie in der Ihnen vertrauten Stadt, kaufen Sie sich Stadtplaene anderer Staedte, erfreuen Sie sich daran, dass Sie die Koelner Strasse laengst kennen, weshalb ein Weg nach, der Himmel weiss wohin, nicht lohnt.
Lehnen Sie sich in satter Zufriedenheit in einen Sessel zurueck, befriedigt von dem Gedanken, die Welt an und fuer sich zu kennen, ob sie sich nun als Rue de Cologne oder sich offen als Koelner Strasse zu erkennen gibt.
Sie wissen es besser.
Das soll Ihnen genuegen.

(Anne Levin)

Oh, how we danced, and she whispered to me,
"we'll never going back home, we'll never going back home"
(Tom Waits)